Energiesparen mit Doppelfassade

Kostenfaktor Nummer 1 für Bauherren wird der Energieverbrauch.
Mit modernster Technik begegnen sie weiterer Verteuerung durch Rot-Grün.
Ideal für Bürogebäude: die doppelte Fassade.

Mutter Natur weiß es immer noch am besten: Luft schützt gut
vor Kälte. Zum Beispiel Eisbären und Pinguine: Ein Luftpuffer
im Fell oder Gefieder sorgt dafür, daß die Polartiere selbst
bei extremen Minustemperaturen nicht frieren.

Das uralte Prinzip dient Architekten nun als Vorbild für modernstes
energiesparendes Bauen. Indem sie Gebäuden eine zweite, gläserne
Außenhaut verpassen, erreichen sie, daß an kalten Tagen bis
zu 50 Prozent weniger Innenraumwärme verlorengeht. Die Energie zum
Aufheizen liefert die Sonne kostenlos, auch bei Minustemperaturen. Umgekehrt
kann die Doppelfassade Räume im Sommer durch gezielte Be- und Entlüftung
kühl halten (siehe Kasten Seite 92). Den Hauptanteil an dieser Schutzfunktion
hat in jedem Fall die – gespeicherte oder zirkulierende – Luft im Raum
zwischen innerer und äußerer Fassade. High-Tech plus Natur
wie hier bietet Bauherren beste Chancen, den explodierenden Energiekosten
zu begegnen. Denn die rot-grünen Ökosteuerpläne verteuern
bereits ab 1. April Heizöl und Erdgas erheblich. Nicht nur die Steuern
für den Energieverbrauch sollen steigen; per Vorschrift will die
Regierung auch vorbeugend den Energiebedarf bei Neubauten drastisch drücken.
Für die geplante “Energieeinsparungsverordnung 2000” sind
derzeit bis zu 30 Prozent niedrigere Verbrauchswerte als bisher in der
Diskussion.

Zusätzlich zu oder – noch besser – in Kombination mit herkömmlichen
Energiesparmaßnahmen wie Kraft-Wärme-Kopplung, Solartechnik,
Regenwassernutzung und Regulierungsautomatik für Heizung und Beleuchtung
in den Gebäuden bringt die Doppelfassadentechnik eine erhebliche
Entlastung bei den Energiekosten. Marcus Püttner, Leier Gebäudetechnik
des Würzburger Fassadenherstellers Götz, hat nachgemessen: “An
unserem Bürogebäude mit Doppelfassade stieg die Temperatur an
Sonnentagen im Zwischenraum bis auf 40 Grad an – bei minus 10 Grad draußen.”
Resultat: entsprechend weniger Heizenergieverbrauch.

Über den Einspareffekt hinaus bieten großzügig vorgelagerte
Zweithüllen aus Glas einen ästhetischen Effekt eigener Art.
Besonders einfallsreich nutzen ihn zum Beispiel die Architekten des Düsseldorfer
Stadttors, eines auf Vermietung angelegten Objektes, in dem neben anderen
jüngst auch die nordrhein-westfälische Landesregierung repräsentativ
Quartier nahm und nun von den Klimatisierungsvorteilen der Doppelfassade
profitiert.

Boris Canessa von der GbR Düsseldorfer Stadttor mbH/Engel Projektentwicklung
GmbH: “Unsere Vorgabe war es, jede Mark, die wir bei der üblichen
Klimatisierung einsparen können, in eine intelligente Fassadenlösung
zu stecken.”

Gesünderes Klima

Das ist auch notwendig. Denn der Verzicht auf die – ökologisch wie
ökonomisch fragwürdige – elektrisch betriebene Klimaanlage stellt
hohe Ansprüche an die Planer. Doch der Aufwand lohnt. Für Johann
Ernst von der Firma Josef Gartner & Co. in Gundelfingen, Erbauer der
Doppelfassade beim Stadttor, schützt das Verfahren vor dem – für
B&uu;robauten seit den achtziger Jahren typischen – Ruf eines krankmachenden
Gebäudes. Ernst: “Es kann angesichts der Problematik eines Sick-Building-Syndroms
sehr viel helfen.” Denn das Wohlbefinden der Mitarbeiter steigt,
wenn sie auf natürliche Weise für individuelle Belüftung
sorgen können. Selbst bei Hochhäusern ist das Öffnen der
Fenster mit den neuen Doppelfassaden möglich. Darüber hinaus
fängt die äußere Fassade auch in größeren Geschoßhöhen
den Winddruck ab und erlaubt das Arbeiten bei geöffnetem Fenster
selbst bei Unwetter. Auch Nachtlüftung im Sommer ist möglich
– und kostensparend.

Doppelschalige Fassaden eignen sich nicht nur für repräsentative
Neubauten wie das Düsseldorfer Vorzeigeobjekt, sondern auch zur Sanierung
älterer Gebäude. Vor allem Plattenbauten aus den sechziger und
siebziger Jahren lassen sich mit dieser Technik vor Umwelt- und Witterungseinflüssen
leicht und nachhaltig schützen. So demonstriert etwa Fassadenhersteller
Alu-Sommer aus dem burgenländischen Stoob an seinem zweistöckigen
Bürotrakt eine ästhetisch wie bautechnisch erstklassige Nachrüstung
mit einem Grundskelett aus Pfeilern, die von Drahtseilen gehalten werden.
Die Doppelfassadentechnik läßt aber auch noch weitere Entwicklungsmöglichkeiten
zu. Das Energiesparpotential steigt zum Beispiel erheblich, wenn man die
doppelschalige Verkleidung mit bewährter Energiespartechnik kombiniert.
“Die Nutzung regenerativer Energie wie der Sonne bietet sich hier
geradezu an”, erläutert Diplomingenieur Andreas Zöllner
vom Lehrstuhl für Energie- und Umweltverfahrenstechnik der TU München.
Das Institut befaßt sich mit der Weiterentwicklung von Doppelfassadentechnik.
Sowohl lichtundurchlässige (opake) wie auch transparente Flächen
im Zwischenraum lassen sich etwa mit Solarzellen ausstatten und können
so elektrische Energie für Kühlung, Heizung und Beleuchtung
erzeugen. Ein anderes, einfaches Beispiel: Sonnenschutzelemente lassen
sich heute so gestalten, daß sie das Tageslicht ins Gebäude
leiten, so daß teures Kunstlicht überflüssig wird.

Noch ist eine Doppelfassade mindestens 50 Prozent teurer als eine herkömmliche
Gebäudeverkleidung. Doch schon jetzt benötigt ein Gebäude
mit dieser neuen Technik nur rund halbsoviel Heizenergie wie ohne den
Schutzmantel. Je stärker die Energiepreise steigen, desto schneller
wird sie sich also auch ohne den ästhetischen Gewinn rechnen. Vor
allem verbilligen schon jetzt Fördermittel eine solche Investition.
Eine Übersicht der aktuellen Förderprogramme ist erhältlich
per impulse-Faxabruf 0190/77 01 66. Wilfried Katterbach

So funktionieren die neuen Doppelfassaden

Je ausgefeilter die Technik, desto wirksamer der Schutz vor Kälte
oder Hitze.

Entsprechend steigen die Kosten – von 1000 auf 1500 Mark je Quadratmeter.

Stufe 1: Unsegmentierte Vorhangfassade. Die Außenwand bekommt
im Abstand bis zu zwei Metern eine Glasfassade vorgesetzt. Der Zwischenraum
bleibt frei, ist nur seitlich geschlossen. Reguliert wird über Klappen
am Fuß und an der Oberkante. Im Winter geschlossen, sorgen sie für
ein Luftpolster mit höherer Temperatur als draußen. In der
wärmeren Jahreszeit sind sie geöffnet, so daß warme Luft
oben herausströmt.

Stufe 2: Umluft-Fassade. Horizontal verlaufende Riegel unterbrechen
den Zwischenraum nach jeweils zwei Geschossen. An der Ober- und Unterseite
haben sie klappengesteuerte Öffnungen. Zudem wälzen über
die Fassaden verteilte Ventilatoren die Luft horizontal um. Ergebnis:
Ein Polster mit stets gleichmäßiger Temperatur.

Stufe 3: Korridor-Fassade. Bereits nach jedem Geschoß ist
eine horizontale Trennebene eingezogen, mit Zu- und Abluftöffnungen
am Boden und an der Decke. Die Durchströmung erfolgt nur durch Auftrieb
der warmen Luft.

Stufe 4: Schacht-Kasten-Fassade. Alle übereinanderliegenden
Fensterkästen werden in jedem zweiten Achsabschnitt zu einem Thermikschacht
ohne horizontale Trennung zusammengefaßt. Aufsteigende Warmluft
entweicht über sogenannte Oberstromöffnungen, und Frischluft
kommt durch Spalten am Fuß der Fensterkästen herein. Bei Verschließen
aller Öffnungen schützt im Winter ein warmer Luftpuffer das
Gebäude gegen Kälte.

Erschienen in: Impulse 2/99