Clements Freunde hoffen auf einen Neustart
Die Pleiteserie der NRW-Regierung scheint beendet, doch die Skepsis in Teilen der SPD ist geblieben
Düsseldorf – So befreit hat Wolfgang Clement (SPD) lange nicht mehr gelacht. Strahlend empfing der nordrhein-westfälische Ministerpräsident in dieser Woche die ersten Gäste in seinem gläsernen neuen Dienstzimmer hoch über den Dächern von Düsseldorf.
Zweimal mußte der Umzug in das spektakuläre “Stadttor” am Rhein, von Clement direkt nach seiner Wahl zum Regierungschef im ….. vorigen Jahres angekündigt, verschoben werden. Die Tücken der Technik und quälend langsame bürokratische Prozesse bremsten monatelang den schnellen Abschied von der muffigen alten Staatskanzlei und damit auch der langen Ära Rau. Der arbeitswütige Jogger litt derweil unübersehbar an den ……. der Ebene. Doch jetzt konnte der Ministerpräsident endlich seinen noch leeren neuen Schreibtisch mit den Bildern seiner Frau und der fünf Töchter dekorieren – und am nächsten Morgen erleichtert in den Familienurlaub nach Florida starten.
Mancher Freund Clements er……. sich von dem nunmehr geglückten Ausbruch aus dem Dunstkreis seines Vorgängers auch ein Ende der langen Serie von Pleiten, Pech und Pannen, die den Start des sozialdemokratischen Hoffnungsträgers an Rhein und Ruhr gründlich verdorben hatten.
Tatsächlich ist die peinliche Justizaffäre mit der Berufung von Jo..?… Dieckmann zum dritten Düsseldorfer Justizminister in diesem Jahr wohl beendet. Auch bei der umstrittenen Verwaltungsreform zeichnet sich nach lautstarken Protesten und Demonstrationen nun scheinbar eine Übereinkunft mit den kommunalen Spitzenorganisationen ab. Und in der Clement bedrängenden Affäre um das Trickfilmstudio HDO liegt nach dem dubiosen Einbruch ins Büro des neuen CDU-Fraktionsvorsitzenden Laurenz Meyer zur Zeit der Ball im Strafraum des Gegners. Hat Clement die zehn Monate lange Zeit des Mißvergnügens jetzt hinter sich?
Bereits am 20. April, der ersten Kabinettssitzung nach der Osterpause in Düsseldorf, wird vom Regierungschef ein Machtwort erwartet. Er muß es ausgerechnet an seinen Finanzminister Schleußer (SPD) adressieren, der lange Zeit im Kabinett Rau dessen engster Vertrauter und damit der einflußreichste Minister war.
Das Verhältnis des 62 Jahre alten traditionellen Sozialdemokraten zum stürmischen Modernisierer gilt als kühl bis kritisch. So durchkreuzte Schleußer im Zusammenspiel mit Oskar Lafontaine die Steuerentlastungspläne Clements für die Wirtschaft in Bonn und setzte in seiner Heimatstadt Oberhausen ungerührt die Abwahl von Manfred Dammeyer durch. Dagegen wollten Clement und der SPD-Landesvorsitzende Franz Müntefering dem Vorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion und damit auch der Parteispitze diese Blamage ersparen.
Kurz vor der Osterpause bremste Schleußer, der bei der Landtagswahl im Mai 2000 nicht mehr für den Landtag kandidiert, schließlich listig den Wunsch des Regierungschefs, mit dem Neubau einer modernen Landesvertretung in Berlin Nordrhein-Westfalen einen repräsentativen Auftritt in der Hauptstadt zu ermöglichen.
Schleußer und andere mächtige Traditionsgenossen gelten in der SPD als heimliche Gegner des Polit-Managers Clement. Daß der Asket mit seinen vielen guten Ideen und seinem oft atemberaubenden Tempo bei Unternehmern blendend ankommt, macht ihn in den alten, von Johannes Rau liebevoll gestreichelten sozialdemokratischen Milieus an Rhein und Ruhr geradezu verdächtig. Sorgsam registriert man dort jeden Fehler des rastlosen Machers, dem Menschenkenntnis zu fehlen scheint. Zwar sind Clement die teilweise noch aus der Ära Rau stammenden Bedenkenträger in seiner Umgebung offenbar ein Greuel – konsequent versetzt hat der Ministerpräsident sie bisher aber nicht. Daß Clement dieses Führungsproblem in seiner sympathischen, aber nicht ungefährlichen Offenheit immer wieder deutlich werden läßt, vermehrt wiederum die Zahl seiner Kritiker. Richtig gefährlich können sie Clement aber erst werden, wenn die Kommunalwahl am 12. September nicht wie gewohnt zum SPD-Siegeslauf wird. Denn der erstmals mit der Direktwahl der Oberbürgermeister verbundene Urnengang birgt gerade in der roten Domäne Ruhrgebiet seine Gefahren. Beispielsweise in Essen und Dortmund, wo die SPD in eine peinliche Rotlicht-Affäre verstrickt ist, könnte die jahrzehntelange sozialdemokratische Herrschaft durch schwarz-grüne Bündnisse abgelöst werden.
Obwohl solche Menetekel eindeutig die Folgen lokaler Schwächen und sozialdemokratischer Machtarroganz wären, wird die SPD sie wohl prompt dem Regierungschef in Düsseldorf anlasten. Für Clement kann die Festigkeit seines Bündnisses mit Parteichef Franz Müntefering dann existentiell werden. Für die Beziehung zwischen dem Modernisierer und dem Parteisoldaten bedeutet das die Nagelprobe.
Erschienen in: Die Welt, 6.4.1999
Von: Helmut Breuer